"Los geht's, auf baldiges Wiedersehen."
Juri Gagarin, während der Zündung der Raketenmotoren,
12.4.1961
Den Traum, einen Menschen in das
Weltall zu schicken, hat es schon lange gegeben. Doch erst die Entwicklung
der Interkontinentalrakete hat es möglich gemacht, auch konkret
an die Verwirklichung bemannter -
heute im Zeitalter der Emanzipation müsste man schreiben: "bemenschter"
- Raumfahrt zu denken.
Dafür erhält die Trägerrakete R7
eine zusätzliche Triebwerksstufe.
Die dritte Stufe der neuen R7-Version kann Lasten bis maximal
4-5 Tonnen in eine Erdumlaufbahn transportieren.
Die nach dem neuen Raumschiff benannte (russ. "Osten") WOSTOK-Version
der R7 ist nun fast 43 Meter hoch. |
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Abb. 3-1
WOSTOK 1
auf nun
dreistufiger
R7-Trägerrakete
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1956 legt Sergej Koroljow dem Zentralkomitee
der KPdSU (Kommunistische Partei der Sowjet-Union)
Pläne für ein Raumschiff vor; ein Jahr später kann
OKB-1 mit dem Bau beginnen.
Mit dem Start der fünften R7-SPUTNIK-Trägerrakete
erfolgt unter der Tarnbezeichnung KORABL-1die
Feuertaufe für das neue Weltraumfahrzeug, das
erste Raumschiff der Menschheit:
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Eine
WOSTOK-Weltraumkapsel wird erfolgreich
ins All geschossen. Die beiden Hunde Belka und Strelka können
nach der Rückkehr gesund und munter geborgen werden.
Die Sowjets haben Hunde zur Vorbereitung des bemenschten Raumfluges
ausgewählt, weil ihre Blutzirkulation und Atmung unter diesen
Bedingungen mit denen von Menschen vergleichbar ist und weil die
Vierbeiner geduldiger als Affen sind.
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Abb. 3-2
WOSTOK- Raumschiff
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Nun sind Raumfahrer gefragt.
An Interessenten aus den sowjetischen Völkern mangelt es
nicht:
Nach den ersten SPUTNIK-Flügen haben sich Tausende SU-Bürger
freiwillig gemeldet.
Doch die Auswahlbedingungen sind hart:
Circa 30 Jahre alt sollen die ersten Astronauten sein, wegen der
engen Kabine dürfen sie nicht größer als 1,70
m sein und, um Gewicht zu sparen, nicht mehr als 70 kg wiegen.
Koroljow bevorzugt Jagdflieger, da sie als Pilot, Funker, Navigator
und Bordingenieur in einem ausgebildet sind, zudem in durchtrainiertem
Zustand und Überbelastungen gewohnt.
Man baut 40 km von Moskau entfernt ein Ausbildungszentrum
für die angehenden Raumfahrer.
Bis heute ist Swjosdny
Gorodok, die Sternenstadt, der zentrale
Wohn- und Ausbildungsort der "Kosmonauten",
wie sich nun die Raumfahrer des Ostens nennen.
Im März 1960 rücken dort die zwanzig Piloten, die das
Auswahlverfahren überstanden haben, ein.
Unter ihnen Namen, die uns noch begegnen werden:
Titow, Nikolajew,
Bykowski, Chrunow,
Komarow, Beregowoj
und andere.
Das Training ist hart; Waleri Bykowski sagt dazu später schmunzelnd:
"Wenn man mich fragt, womit für
uns Kosmonauten die Erschließung des Alls begonnen hat,
muss ich sagen:
Mit dem Frühsport.
Wir wussten nur zu gut, dass uns keine interplanetaren Vergnügungsreisen
erwarten."
...und ein anderer:
"...Kaum hat man seine fünf
Sinne beisammen, muss man sich schon wieder wie ein Kreisel drehen..."
Beispielsweise muss jeder Anwärter zehn
Tage in einer schalldichten Kammer verbringen, entsprechend der
maximalen Flugdauer des Raumschiffs, um sich an die Stille und
das Alleinsein im All zu gewöhnen. Überlebenstrainings
werden in Wüsten oder Eislandschaften abgehalten.
Ein tragischer Unfall überschattet leider die Vorbereitungen:
Der jüngste der aufstrebenden Raumfahrer, Walentin Bondarenko,
verbrennt, als sein Raumanzug Feuer fängt, und er, anstatt
das Aufsichtspersonal zu informieren, das Feuer eigenhändig
löschen will.
Einen Tag später fährt der Ausbildungsleiter,
Geschwaderkommandant General Kamanin, mit der Gruppe nach Baikonur;
die Kosmonauten sollen das Startgelände und "ihr" Raumschiff
kennenlernen:
WOSTOK
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Abb. 3-3
WOSTOK-Raumschiff
(Original)
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Technische Daten: |
Gewicht: 4,7 t
davon 275 kg Treibstoff (Nitrooxid/Amine) |
Höhe: 4,40 m |
Maximaler Durchmesser: 2,40
m |
Bewohnbares Volumen: 5 m³ |
Besatzung: 1 Kosmonaut |
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Oben die Pilotenkapsel
mit geschlossener Einstiegsluke und den Funkantennen – die am
unteren Ende der Kapsel befindlichen kleineren Kugeln sind Luftvorratsbehälter.
Darunter beginnt die Gerätesektion.
Die teils kugelige Form des Flugkörpers
ist zwar nicht für Flüge zum Mond geeignet, aber für
die damaligen Zwecke und technischen Möglichkeiten genial.
Es hat keine Triebwerke zu Richtungsänderungen gebraucht;
Wostok reagiert wie ein Ball, dessen Schwerpunkt an einem Randpunkt
liegt. Wenn man ihn in die Luft wirft - sprich: wenn das Raumschiff
bei der Rückkehr in die Atmosphäre eintritt - dreht
er sich automatisch so, dass das schwere "Ende" der Erde zugewandt
ist.
Der einzige Nachteil für die Kosmonauten: Der Flug durch
die Atmosphäre erfolgte rein ballistisch, ohne Bremsmöglichkeit;
das bedeutete einen Anpressdruck von 8 G bei der Rückkehr
aus dem Erdorbit, vom Mond wären es sogar 20 G gewesen; das
hätte kein Mensch ertragen können! Später konstruierte Raumschiffe
wie GEMINI, APOLLO oder SOJUS besitzen eine ausgewogenere Massenverteilung,
so dass sie den eigenen Auftrieb in der Atmosphäre zur Abbremsung
benutzen und bei Landemanövern wenigstens etwas manövrieren
können. Dies reduziert die Gravitationskräfte auf 3
G bzw. 8 G bei Erdorbit- bzw. Mondorbitmissionen.
Die erste Version des WOSTOK-Raumschiffes konnte sich nur um seine
drei Raumachsen bewegen, Richtungsänderungen im Erdumflug
sind nicht möglich. Das Haupttriebwerk ist ausschließlich
für ein (1) Bremsmanöver beim Wiedereintritt in die
Atmosphäre ausgelegt. Erst spätere Versionen sind bedingt
manövrierfähig.
Der Kosmonaut liegt in der Kugelkapsel in einem Schleudersitz.
Da man damals noch nicht gewusst hat, ob der Mensch im All arbeitsfähig
sein würde, wird das Raumschiff von der Erde aus gesteuert.
Nur im absoluten Notfall kann der Kosmonaut in die Lageregelung
und auf das Bremstriebwerk zugreifen. |
Am 12. April 1961 ist
es soweit - der erste Mensch soll in den Weltraum aufsteigen.
Die Wahl ist auf Juri
Gagarin gefallen. Sein Stellvertreter ist German
Titow.
Alle sind sehr aufgeregt; so aufgeregt, dass Techniker,
die 45 Minuten vor dem Start in
35 Meter Höhe noch die Einstiegsluke der Kapsel abdichten,
erschrocken mitansehen müssen, wie die gegenüberliegende
andere Hälfte des Wartungsturms
bereits weggeklappt wird, während die Männer noch oben
stehen. (Die Abb. von einem Start bei Dämmerung
ist viele Jahre später entstanden, macht aber die Bedrohung
für die Männer deutlich.) Eine übereifrige
Startmannschaft ist dafür verantwortlich, doch glücklicherweise
können sich die Männer rechtzeitig vor dem Wegklappen
des anderen turmteils bemerkbar machen.
Um 9:07 Uhr Moskauer Zeit startet die modifizierte R7-Trägerrakete.
German Titow:
"Die Triebwerke begannen zu dröhnen,
der untere Teil der Rakete war von Rauchwolken verdeckt. Mit jeder
Sekunde verstärkte sich das Getöse, die Rakete gewann
ständig an Höhe..."
Neun Minuten nach dem Start hat das Raumschiff
die Umlaufbahn erreicht.
Kosmonaut Juri Gagarin umrundet an Bord eines WOSTOK-Raumschiffes
die Erde.
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Abb. 3-4
Juri Gagarin
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Juri Gagarin im Sprechfunk mit
der Bodenstation:
"Was sagt die Medizin? Schlägt mein
Herz?"
Bodenstation:
"Puls 64, Atemfrequenz 24. Alles normal."
Gagarin:
"Habe verstanden. Mein Herz schlägt
also."
...und später in einem Bericht:
"Ich habe mich im All gut gefühlt, keinen
Trübsinn verspürt und hatte vom Start bis zur Landung
keine Zweifel am erfolgreichen Ausgang. Dank der Vorbereitung
habe ich den Flug gut überstanden und glaube, dass man sich
im All bedeutend länger aufhalten kann."
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Wie recht er behalten soll! |
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Die
Landung ist ein Abenteuer für sich gewesen und verdient es
erzählt zu werden.
Gagarin selbst:
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"Das Bremstriebwerk arbeitete zur vorgesehenen
Zeit. WOSTOK verringerte die Geschwindigkeit und flog aus der Umlaufbahn
in dichte Atmosphäreschichten.
Die Außenwand erhitzte sich, durch die Bullaugen sah ich den
Widerschein der Flammen. In der Kabine herrschten 20° Celsius,
obwohl ich mich in einem Feuerball bewegte.
Die Überbelastung presste mich wieder in den Sitz und war noch
stärker als beim Aufstieg.
Die Höhe war immer geringer, 9 km, 8, 7.
Ich sah die Wolga, Felder, Wälder, Straßen, und in der
Ferne die Häuser von Saratow." |
Sieben
Kilometerm über der Erdoberfläche wird der Deckel der
Einstiegsluke abgesprengt und der Schleudersitz mit dem Kosmonauten
herauskatapultiert.
Der Fallschirm des Piloten öffnet sich.
In 4 km Höhe wird der Schleudersitz abgetrennt.
Gagarin landet mit einer Endgeschwindigkeit von etwa 6 m/s = 21,6
km/h auf dem Boden. Am Fallschirm hängen an einer langen
Leine Notproviant, Hilfsausrüstungen und ein Schlauchboot,
das sich bei einer Landung im Wasser automatisch aufgeblasen hätte.
Lassen wir Gagarin über den weiteren Verlauf erzählen:
Als ich wieder auf der Erde stand,
sah ich eine Frau mit einem Mädchen.
Ich war noch im Raumanzug, mein Aussehen flößte ihnen
offenbar Angst ein.
‚Gut Freund', rief ich, nachdem ich den Helm abgenommen hatte,
‚ich bin Russe, einer von Euch. Wo ist das nächste Telefon?
Ich muss melden, dass ich soeben aus dem Weltraum gelandet bin.'
‚Kommen Sie wirklich aus dem Weltraum?' fragt die Frau ungläubig
..."
Wieder einmal hatten die Sowjets
die Amerikaner geschlagen!
Inhalt Letztes Update dieser Seite am 04.04.2004
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