"In jedem Raumflug steckt die Arbeit tausender Menschen
in Konstruktionsbüros, Betrieben, auf dem Startgelände,
in Bodenstationen und Ausbildungszentren."

Gorochow, 1975


Was ist abseits der Mondprojekte in der sowjetischen Raumfahrt geschehen?
Schauen wir ein wenig zurück:

Juri Gagarins erstem Weltraumflug folgen weitere WOSTOK-Flüge:

Abb.10-1

Gedenkmarke an den
WOSTOK 2 - Flug

Abb. 10-1 Gedenkmarke für WOSTOK 2 - Flug


Vier Monate später bleibt sein damaliger Backup-Partner German Titow mit WOSTOK 2 vierundzwanzig Stunden im All.

Bei ihm stellt man fest, dass der Mensch nicht ohne Probleme für längere Zeit auf die Schwerkraft verzichten kann; Schwindelgefühl, Übelkeit und Illusionen über die eigene Körperlage haben sich bei dem zweiten Kosmonauten eingestellt.

1962 schließt sich der erste Gruppenflug zweier Raumschiffe, WOSTOK 3 & 4, mit den Kosmonauten Andrijan Nikolajew und Pawel Popowitsch an. Erstmals zeigt man in der Öffentlichkeit Filmaufnahmen aus dem All. Erstmals dürfen sich Kosmonauten von ihren Gurten lösen und für eine Stunde in der Kabine frei schweben. Erstmals landen bemannte Raumschiffe in Kasachstan. Nach dem erfolgreichen Doppelflug geben die Ärzte grünes Licht für längere Raumflüge bis zu zwei Wochen Aufenthalt im All.


Abb. 10-2a

Andrijan Nikolajew


Abb. 10-3

Gedenkmarke für den ersten Gruppenflug von
WOSTOK 3 & 4


Abb. 10-2b

Pawel Popowitsch

Abb. 10-2  Andrijan Nikolajew Abb. 10-3 Gedenkmarke für den ersten Gruppenflug von WOSTOK 3 & 4 Abb. 10-2 Pawel Popowitsch

Der nächste Doppelflug im Juni des Folgejahres 1963 ist eine weitere Weltraumpremiere. Die 26-jährige ehemalige Textiltechnikerin und ausgezeichnete Fallschirmspringerin Walentina Tereschkowa nähert sich mit WOSTOK 5 bis auf 5 km ihrem Kollegen Waleri Bykowski in der WOSTOK 6-Kapsel. Sie ist die erste Frau im Weltall. Walentina fühlt sich gut und bittet die Bodenstation um Verlängerung des eintägig geplanten Fluges; ja, man gewährt ihr eine Verlängerung um zwei Tage.
Wenige Monate nach ihrer gefeierten Rückkehr heiratet sie propagandaträchtig ihren Kollegen, den Kosmonauten Andrijan Nikolajew; die Hochzeitszeremonie wird per TV in alle Staaten der SU übertragen.

Abb. 10-4   Walentina Tereschkowa (WOSTOK 5)

Abb. 10-4 a

Walentina Tereschkowa
(WOSTOK 5)

Abb. 10-4 b

Waleri Bykowski
(WOSTOK 6)

Abb. 10-4   Waleri Bykowski (WOSTOK 6)

Um Walentina Tereschkowa-Nikolajewa bildet sich eine sechsköpfige
Gruppe von Kosmonautinnen. Sie werden sich auf eine für die Mitte der 60-er Jahre geplante Doppelmission, ähnlich der WOSCHOD-2-Mission, vorbereiten, als reiner Raumflug von Frauen, Ausstiegen ins All sind ebenfalls geplant.
Die Frauen wissen noch nicht, dass sie sich vergeblich vorbereiten werden.
Ihre Mission wird kurz vor den Starts gestrichen werden.
Welche Enttäuschung für die begeisterten Kosmonautinnen!

Erst neunzehn Jahre später fliegt 1984 eine zweite Kosmonautin, Swetlana Sawizkaja, mit SOJUS-T12 ins All, um an die Raumstation SALJUT 7 anzudocken. Walentina Tereschkowa-Nikolajewa hat man inzwischen ein Denkmal gesetzt (nicht misszuverstehen: sie lebt heute noch!)


Für westliche Beobachter sieht es nach dem WOSTOK 5 & 6 - Doppelflug so aus, als ruhe die sowjetische Raumfahrt; nichts Wesentliches geschieht für die Öffentlichkeit.
Doch hinter den Kulissen arbeiten Koroljows Leute fleißig an den drei Eckpfeilern ihres Raumfahrtprogramms:
Es existiert bereits ein 18,5 m großes Modell der OS-1-Station.
Mit einer neuen Serie von LUNA-Sonden versucht sich der Chefkonstrukteur seit dem Januar 1963 an einer weichen Mondlandung, doch ohne Erfolg.

Auch ein neuer Plan für eine bemannte Mondumrundung existiert:

Eines der neuen, im Bau befindlichen SOJUS-Raumschiffe (siehe Kap. 13) soll mit einer N11 - das ist eine abgespeckte zweistufige Version der N1-Trägerrakete - ins All transportiert werden.
Aber:
Auch dieser Plan wird im Kreml verworfen.

Abb. 10-5

N11

Eine
zweistufige
N1-Version

 

Abb. 10-1  N-11 (zweistufige Nositel-Version)

Doch etwas anderes geschieht:

Am 3. August 1964 verabschiedet das sowjetische Zentralkomitee eine Resolution "Über Arbeitsstudien, den Mond und den äußeren Weltraum betreffend" und stellt sie der Öffentlichkeit vor.
Immerhin sind drei Jahre nach Kennedys weltbewegender Rede vergangen; es wird höchste Zeit der Weltöffentlichkeit deutlich zu machen, wer "die Nr. 1" im Weltraum ist und auch in Zukunft sein wird.
In der Resolution heißt es unter anderem:

Zwischen 1967 und 1968,
noch bevor das erste APOLLO-Raumschiff gestartet worden ist,
soll der erste sowjetische Kosmonaut auf dem Mond gelandet sein!

Am selben Tag erhält Tschelomejs Büro den offiziellen Auftrag, ein LK-1-Raumschiff zu bauen. Zwei Kosmonauten sollen darin im Oktober 1967, pünktlich und medienwirksam zum 50. Jahrestag der Bolschewistischen Revolution, den Mond umrunden.

Endlich scheinen die sowjetischen Bemühungen so richtig in Schwung zu kommen.


Sollte die "Rote Gefahr" nach ihren zahlreichen bisherigen Siegen
im All nun auch noch das Rennen zum Mond gewinnen???

Im Westen ist man dagegen konsterniert, ja sogar schockiert.
Der Flug von APOLLO 1 ist von der NASA frühestens für 1967 anvisiert worden.

Oh ja, es gibt einiges aus Amerika zu berichten und daher schwenken wir auf die andere Seite des Globus hinüber ...


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Letztes Update dieser Seite am 04.04.2004

Kapitel 10

Aufbruchsstimmung: WOSTOK