HERR DER MEERE
Piratenserie
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K.H. Scheer
als
Pierre de Chalon
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Band 1
"Der
Sklave des Königs"
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Herr der Meere - Band 1:
Pierre de Chalon : Der Sklave des Königs
1. Ausgabe der überarbeitete Neuauflage
Originalausgabe: Leihbuch, Balowa Verlag, 1956
Herausgeber: Kurt Kobler
Titelbild: Ralph Voltz
Redaktion: Joachim Kutzner, TCE
Durchsicht und Bearbeitung des Textes: Michael Thiesen
Kartenmaterial und Innenillustrationen: Willi Diwo
Scan des Originaltextes: Hans-Peter Kögler
Druck: Schaltungsdienst Lange OHG, Berlin
Umfang: 128 Seiten
Preis: 10 EUR
Terranischer Club EdeN, Juni 2009
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Leseprobe:
André war sich darüber im Klaren, dass die
SUSSEX mit zahlreichen Breit-seiten das Heck der CHRISTOBAL
zu zerschmettern beabsichtigte. Die Kugeln mussten das
Schiff der Länge nach durchpflügen und grauenhafte
Ver-nichtung säen. Die eigenen Batterien würden
nicht mehr zum Schuss kommen können, da sie nur seitlich
feuern konnten. Durch die schmalen Stückpforten war
der seitliche Schusswinkel der spanischen Kanonen ohnehin
begrenzt. Tief unten im Schiff herrschte unter den siebenhundert
Sklaven, die vorher niemals einen Kanonenschuss gehört
hatten, größte Verwirrung und Verzweiflung.
Sie schrien ihre Angst laut heraus und zerrten an den Ketten.
Die Wachen waren inzwischen verschwunden. Keiner der Schwarzen
würde sich befreien können, da sie alle mit eisernen
Schellen am Hals und an den Handgelenken gefesselt waren.
Dicht gedrängt lagen sie auf dem Orlopdeck, das sich
tief unter der Wasserlinie befand. Wenn hier ein Treffer
einschlug, waren sie alle dem Tod preisgegeben.
Louis Renard hatte inzwischen das Orlopdeck erreicht. Er
stieg den Niedergang herunter und eilte durch den schmalen
Gang, der nach vorn zum Kabelgatt führte. Dort lag
dicht vor dem Bug der Raum, in dem Taue aller Art auf-bewahrt
wurden. Dort befanden sich auch die beiden Franzosen, die
er auf Andrés Anweisung heraufholen sollte.
Der Bretone verabscheute den Sklavenhandel. Obgleich er
seine Gegner gnadenlos bekämpfte, konnte er andererseits
einem Wehrlosen kein Leid zu-fügen.
Das galt auch für den Kapitän des Dreimasters,
den sie vor zwei Wochen ge-kapert und nach Übernahme
der wertvollen Ladung versenkt hatten. Dieser Mann nötigte
ihm Hochachtung ab. Er hatte anständig gekämpft,
und dieses Verhalten wurde sogar unter den wildesten Piraten
der Karibischen See anerkannt und geschätzt.
Mit zwei Pistolenschüssen zertrümmerte Renard
das Schloss der Tür. Die Wachen hatten sich auch hier
längst zurückgezogen.
Nachdem der Hüne ruckartig die Tür geöffnet
hatte, starrte er schweigend auf die beiden gefesselten
Männer im Kielraum.
Eine Öllampe, die trübes Licht verbreitete, schaukelte über
den Köpfen der Franzosen, deren Beine im stinkenden
Bilgenwasser hingen.
Respektvoll blieb der Bretone stehen und musterte den herkulisch
gebauten Mann. Der etwa dreißig Jahre alte französische
Kapitän mit dem blonden, im Nacken zusammengebundenen
Haar war fast so groß wie Renard. Sein Gesicht wirkte
etwas zu hart, um es schön nennen zu können.
Er besaß durchdringende hellblaue Augen unter einer
hohen Stirn.
Bei dem zweiten Gefangenen handelte es sich um den Steuermann.
Der Ge-sichtsausdruck des hochgewachsenen und überaus
hageren Mannes war un-bewegt.
Der Kapitän zeigte keine Unruhe, obwohl er als erfahrener
Seemann wissen musste, was dicht über ihm vorging.
Das Rollen der Batteriegeschütze und das Einschlagen
der feindlichen Kugeln waren nicht zu überhören.
»Nun, Bretone«, sagte er gefasst in einwandfreiem
Französisch, »was starrst du mich an? Ist dein
Kapitän diesmal an einen Gegner geraten, mit dem er
nicht so leicht fertig wird wie mit der kleinen Besatzung
meines Schiffes?«
Louis horchte erstaunt auf.
»Ihr seid kein Franzose, Herr«, stellte er
sachlich fest. »Wie könnt Ihr also wissen, dass
ich Bretone bin? Wir haben uns nur gesehen, als Ihr mir
meinen Entersäbel aus der Faust geschlagen habt. Wer
seid Ihr, Herr?«
Der Kapitän schaute ihn prüfend an.
»Du hast Recht, Bretone«, entgegnete er verbindlich, »ich
bin kein Franzose, obgleich ich Kommandant eines französischen
Schiffes war. Ich bin Deutscher, ein Brandenburger, wenn
dir das etwas sagt, und heiße Reinhardt Gonder. Trotzdem
beherrsche ich die französische Sprache so gut, um
an deinem Dialekt feststellen zu können, dass du in
der Bretagne geboren wurdest. Mein Steuermann ist aber
Franzose. Sein Name lautet Armand Guleau. Nun verrate mir,
was du von uns willst!«
Aufmerksam beobachtete er Renard, dessen Gesicht sich zu
einer Grimasse verzog. Gonder ließ sich keine Gefühlsregung
anmerken.
»Es ist gut, Herr. Mir macht es nichts aus, ob Ihr
Franzose oder Brandenburger seid. Ich bewundere Euch,
und an Bord gibt es noch einen Mann, der das auch tut.
Er forderte mich auf, Euch und Euren Steuermann sofort
zu be-freien, sobald der Engländer angriffe.«
Reinhardt Gonder sah gespannt auf.
»Was ist geschehen? Sprich bitte.«
In kurzen Worten erklärte Renard die näheren
Umstände.
»Das bedeutet Krieg zwischen Spanien und England,
mein starker Freund. Weißt du das?«, stellte
Gonder sachlich fest. »Der englische Kommandant würde
es sonst niemals wagen, ein spanisches Schiff dicht vor
der Küste von Puerto Rico anzugreifen.«
Der Bretone sah ihn bewundernd an. Er erkannte, dass der
Brandenburger nicht nur über herkulische Kräfte
verfügte, sondern auch einen scharfen Verstand besaß.
Renard nickte nur und schlug dann mit einem Enterbeil auf
das Schloss der Kette ein, von der die Handschellen gehalten
wurden.
Armand Guleau hatte die ganze Zeit über geschwiegen.
Nun grinste er ver-halten und meinte: »Dieser Mensch
hat Kräfte wie zehn Stiere. Seht nur, Herr, wie er
auf das Schloss einschlägt.«
In Gonder tobte eine starke Erregung. Das war seine Chance,
den Fängen des Sklavenhalters zu entkommen. Er wusste,
dass ihn Curnaca meistbietend auf dem nächsten Sklavenmarkt
verkauft hätte.
Der Brandenburger lauschte auf die Schreie der Sklaven,
presste die Lippen zusammen und bemühte sich, nicht
an das Leid dieser Menschen zu denken.
Endlich zerbarst das Schloss unter den Hieben des Hünen.
Ruckartig zog Gonder die lange Kette aus den Halteösen
der Handschellen und sprang auf.
»Ich danke dir, Freund«, sagte er und hielt
dem Franzosen die Hand hin, die Renard verlegen ergriff.
»Sprecht nicht so, Herr, ich bin in Eurer Schuld.
Doch nun kommt mit nach oben. Wir werden uns nach Kräften
wehren müssen, wenn uns der Engländer nicht besiegen
soll. Oder ist es Euch recht, wenn er Euch befreit? Dann
bleibt hier und wartet ab.«
Gonder lachte auf.
»Mein Freund, erwähne nicht die Engländer!
Von den Londoner Gerichten bin ich längst zur lebenslänglichen
Sklaverei in Westindien verurteilt worden. Lasst uns gehen!
Wie heißt du eigentlich, mein Freund?«
»Louis Renard«, antwortete der Bretone.
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