Geschichten der Nacht # 72

PERRY RHODAN

Der Fukushima-Zwischenfall

Ein Tako Kakuta-Roman
aus den Anfängen der PERRY RHODAN-Serie

von Norbert Fiks
Umschlaggestaltung: Norbert Fiks
(unter Verwendung von Fotos der
NASA/JHUAPL/SwRI, Jordy Meow/pixabay, Patrick Fischer/pixabay)

August 2022

 

Cover GdN 72 Der Fukushima-Zwischenfall -(c) Umschlaggestaltung: Norbert Fiks

Teleporter Tako Kakuta kommt einer Verschwörung auf die Spur.
Dabei steht seine eigene Existenz zur Disposition.

Zum Inhalt :

Nachdem es 1984 gelungen war, die Zerstörung der Erde und den Tod Perry Rhodans vorzutäuschen, verschwand das Solsystem für mehrere Jahrzehnte von der galaktischen Bildfläche. Die Terraner nutzten die Zeit, um ungestört ihre neue Staatsform, die Vereinigte Erde, zu festigen und das Solare Imperium für eine erneute Begegnung mit den galaktischen Großmächten zu stärken.
Doch trotz aller Geheimhaltung gelang es feindlichen Kräften immer wieder, das Solsystem zu infiltrieren und in Gefahr zu bringen. Zumeist gelang es den Behörden, die Gefahr zu bannen, ohne dass die Öffentlichkeit das mitbekam.

Einer dieser Vorfälle, der nie richtig aufgeklärt wurde, ist der Fukushima-Zwischenfall von 2022.

aus: Geschichte des Solaren Imperiums. Die 2020er-Jahre.
Verlag Das Neue Terra.
Terrania 2103


Leseprobe:

Aus dem Dunkel des Weltalls tauchte der Pluto auf. Seine rotbraune Oberfläche schimmerte matt im Licht der fernen Sonne. Die Kurztransition hatte die Gazelle in unmittelbare Nähe des neunten Planeten versetzt. Von der Erde aus war es ein Katzensprung, zumal der kleine Planet in Opposition stand. Tako Kakuta wies die Positronik an, in eine Umlaufbahn einzuschwenken, und überließ das Boot der Automatik.
Tako hatte begeistert zugestimmt, als ihm von der Werft in Toulouse die Gelegenheit geboten wurde, mit einem Prototypen der auf Terra entwickelten Mini-Gazelle einen Testflug zu machen. Die letzte Zeit war es sehr ruhig gewesen, und Tako war froh, etwas anderes unternehmen zu können, als zu Übungen, Vorlesungen und Stabsbesprechungen zu gehen oder auf der faulen Haut zu liegen.
Er konnte sich noch immer für neue Technik begeistern. Das diskusförmige Boot, etwa halb so groß wie eine reguläre Gazelle nach arkonidischem Vorbild, war speziell für Flüge im interplanetarischen Raum konstruiert worden. Es hatte ein Transitionstriebwerk mit geringer Reichweite und konnte dank einer ausgefeilten Automatik selbst von Piloten ohne große Erfahrung allein geflogen werden, also genau das Richtige für spontane Kurzeinsätze mit einem kleinen Team von Spezialisten.
Der Flug durchs Sonnensystem war zügig und ohne Probleme verlaufen, auch wenn der Prototyp einen sehr provisorischen Eindruck machte. Die Inneneinrichtung der zwei kleinen Kabinen fehlte komplett, ebenso wie die Wandverkleidung in den meisten Räumen, und anstelle des Hyperfunkgeräts flog eine Attrappe mit. Aber die Impulskanone schien einsatzbereit zu sein; jedenfalls leuchteten alle Kontrollen an der Steuerkonsole neben dem Pilotensessel grün. Typisch, dachte Tako, erst schießen, dann reden.
Pluto hatte er als Ziel ausgesucht, weil es der einzige Planet im Sonnensystem war, den er noch nicht besucht hatte. In all den Jahrzehnten hatte es nie einen Grund gegeben, dorthin zu fliegen. Es war ein toter Felsbrocken, kleiner als Luna, der irdische Mond, mit einer kaum nennenswerten dünnen Atmosphäre. Er kreiste einsam am Rand des Sonnensystems und wurde von niemandem beachtet.
Tako musterte die von Kratern übersäte Planetenoberfläche, die langsam unter ihm vorbeizog. Zu seiner Überraschung waren überall deutliche Geländestrukturen zu erkennen; es gab aber auch große Areale, die von gefrorenem Methan bedeckt waren, und immer wieder entdeckte er neue Farbnuancen. Der Pluto war bei weitem nicht so einförmig eingefärbt wie der rostrote Mars.
Nach anderthalb Umläufen riss ihn das Ortungsgerät aus seinen Betrachtungen. Es meldete eine unbekannte Energiesignatur auf der Oberfläche. Sie war so schwach, dass sie aus größerer Entfernung nicht anmessbar war. Die Quelle lag am Südpol, der gerade in Sicht kam. Dort gab es eine automatische Sternwarte, die aber inzwischen nicht mehr in Betrieb war, teilte ihm die Positronik mit. Offenbar wurde sie von den terranischen Astronomen nicht mehr benötigt.
Tako wollte wissen, was dort los war. Wenn aus einer stillgelegten Station ein elektrischer Impuls kam, gab es einen Grund nachzusehen. Es kam ihm vor, als habe er nach den vielen ereignislosen Monaten bloß auf eine solche Gelegenheit gewartet. Das Signal war wie ein Lockruf, dem er nicht widerstehen konnte.
Er gab der Automatik den Befehl zur Landung. Nur einen Moment lang hatte er mit dem Gedanken gespielt, auf die Oberfläche zu teleportieren und die Gazelle im Orbit zu lassen. Aber bei jedem Sprung schwang ein wenig die Angst mit, dass etwas schiefgehen konnte. Er nahm lieber den konventionellen Weg.
Die Station schmiegte sich wie eine flachgedrückte Blase aus angelaufenem Metall an eine Felswand am Fuß eines leicht ansteigenden Hanges. Sie war viel heller als die Umgebung und mit ihren glatten Formen ein Fremdkörper in der schroffen Landschaft. Weiter oben am Hang machte Tako ein Gestell aus Trägern und Stangen aus, auf dem vermutlich die Beobachtungsinstrumente des Observatoriums montiert gewesen waren.
Das Außenschott der Station stand halb offen, als habe der Letzte vergessen, es zu schließen. Tako trat in die kleine Schleuse, die kaum Platz für ihn bot, und zog die Tür hinter sich zu. Es war stockdunkel. Weil es keinen Strom gab, musste er die Innentür manuell öffnen. Es dauerte eine Weile, bis er die Vorrichtung dazu gefunden hatte. Erstaunlicherweise gab es im Inneren der Station eine atembare Atmosphäre, und er konnte den Helm öffnen. Ihm schlug der muffige Geruch von abgestandener Luft entgegen. Offensichtlich war die Luftaufbereitungsanlage abgeschaltet. Aber die Heizung musste noch laufen, sonst wäre ihm tödliche Kälte entgegengeschlagen. Das war ungewöhnlich.
Tako trat in einen schmalen, kurzen Gang hinaus, eine Röhre aus Metall, an deren Wänden ein in Hüfthöhe angebrachter Streifen aus Nachleuchtpigmenten schwach vor sich hin glomm. In ihrem grünlichen Licht konnte er erkennen, dass der Gang an einem weiteren Schott endete, das ebenfalls halb offenstand. Zu hören war nichts.
Das Szenario erinnerte ihn ein wenig an eine alte Fernsehserie, die er als Student gesehen hatte. Darin waren zwei Astronauten auf einem fremden Planeten oder Mond in eine verlassene Station eingedrungen und auf Außerirdische gestoßen, die immer nur schemenhaft ins Bild kamen. Der Film war ihm im Gedächtnis geblieben, weil darin kein einziger Asiate aufgetaucht war, als ob es in der Zukunft nur Westler geben würde. Deshalb hatte er anfangs Vorbehalte gegen diesen Amerikaner Perry Rhodan gehabt; wieder ein Seiyō, der bestimmen wollte, wo es langging. Aber er hatte schnell gemerkt, dass er sich irrte. Wenn er es genau überlegte, gehörte er sogar zu den ersten Nichtweißen, die sich Rhodan angeschlossen hatten. Und er hatte ihm, platt gesagt, den Arsch gerettet, als die Asiatische Föderation Rhodan samt den Arkoniden aus der Gobi sprengen wollte.
Tako machte sich allerdings nichts vor. Ohne seine Teleporter-Gabe wäre er ein kleines Licht geblieben, hätte als Techniker oder Ingenieur sein Auskommen gehabt und säße heute mit etwas Glück als rüstiger Rentner in einem Altenheim im wieder erblühten Hiroshima. Oder er wäre tot. Stattdessen hatte er Abenteuer erlebt, von denen er als junger Mann nicht einmal zu träumen gewagt hätte, und war dank der Zelldusche auf diesem unglaublichen Planeten Wanderer jung geblieben. Niemand sah ihm an, dass er vor Kurzem seinen sechsundsiebzigsten Geburtstag gefeiert hatte. Allerdings hatte seine Gabe ihm auch ein normales Liebes- und Familienleben vorenthalten. Ein Mitglied des Mutantenkorps zu sein war wohl das Unnormalste, was einem Menschen passieren konnte.
Tako riss sich von diesen nutzlosen Gedanken, die ihn häufig umtrieben, los und näherte sich dem nächsten Schott. Sein Ortungsgerät zeigte ihm weiter die unbekannte Energiesignatur an. Das Signal kam direkt von vorn.
Er trat in eine Art Foyer, von dem einige Türen in andere Räume führten. Auch dort reichte die Notbeleuchtung kaum aus, um etwas zu erkennen. Tako sah in zwei spartanisch eingerichtete Kabinen, vermutlich für die Wissenschaftler oder Techniker, die hier gelegentlich zu tun gehabt hatten. Hinter einer weiteren Tür lag der Maschinenraum der Station mit den Luft- und Wasseraufbereitungsanlagen und einem Minikraftwerk arkonidischer Bauart, an dem einige flackernde Lichtpunkte zeigten, dass es noch in Betrieb sein musste. Aber das war nicht die unbekannte Energiequelle. Das Signal des Kraftwerks war bekannt und wurde vom Ortungsgerät ausgeblendet.
Auf der gegenüberliegenden Seite erlaubte eine Trennwand mit Glaselementen den Blick in einen weiteren Raum, den Tako wegen der dort angebrachten Instrumente für den Kontrollraum des Observatoriums hielt. Die Anlage war außer Betrieb, nicht ein Lämpchen leuchtete. An der rückwärtigen Wand, die aus grob behauenem Fels zu bestehen schien, stand eine Tür offen, die in geschlossenem Zustand kaum zu sehen gewesen wäre. Jemand war hier offenbar sehr nachlässig gewesen, fand Tako. Durch den Spalt drang Licht.
Tako musste sich ducken, um durch die Öffnung in der Felsenwand zu treten. Als er sich wieder aufrichtete, wäre er fast über ein niedriges Geländer gestürzt. Vor Überraschung stieß er einen Schrei aus. Er stand auf einer kleinen Plattform mit einer kurzen Treppe, die hinab in einen großen Saal, genauer gesagt in eine Höhle führte. Eiförmige Leuchtelemente, die von der hohen Decke hingen, sorgten für ausreichende Helligkeit. In der Höhle standen in mehreren Reihen nebeneinander Dutzende längliche Behälter, die wie Sarkophage aussahen. In einer Ecke war eine große Instrumententafel aufgestellt. Sie machte auf Tako einen sehr funktionalen Eindruck, kam ihm aber dennoch fremdartig vor. Das stammte mit Sicherheit nicht aus terranischer Produktion, und das war nicht gut.
Tako lief die Treppe hinunter und wandte sich dem nächstgelegenen Behälter zu. Es war ein fast perfekter, etwa zwei Meter langer Zylinder, der auf einem flachen Sockel lag. Am vorderen Ende war ein Schild mit einer Beschriftung angebracht, die Tako elektrisierte. In sauber eingestanzten lateinischen Buchstaben stand dort: Perry Rhodan, darüber Zeichen, die er nicht identifizieren konnte. Am gegenüberliegenden Ende hatte der Sarkophag an der Oberfläche ein Sichtfenster. Obwohl er wegen der Beschriftung darauf hätte vorbereitet sein können, erschrak er zutiefst, als er Rhodans Kopf sah. Es sah aus, als schliefe der Terraner. Ab und zu zuckten seine Augäpfel hinter den geschlossenen Lidern.
Tako hetzte von einem Behälter zum nächsten: Reginald Bull, Julian Tifflor, Allan D. Mercant – die gesamte Führungselite der Erde und ein paar prominente Wirtschaftsbosse waren hier aufgereiht. Die meisten kannte er persönlich. Als Mitglied des Mutantenkorps bewegte man sich in höchsten Kreisen. Aber wer war Greta Thunberg? Den Namen hatte Tako noch nie gehört. Er sah eine sehr junge Frau, offenbar eine Europäerin. Mit dem Gesicht konnte er nichts anfangen. Er hatte sie noch nie gesehen.
Egal. Was er sah, machte ihm Angst. Wurde hier die Invasion von Terra vorbereitet und sollten die führenden Köpfe durch Duplikate ersetzt werden? Denn dass es sich um die Originale handelte, die jemand entführt und hier stillgelegt hatte, war völlig ausgeschlossen. Tako hatte Rhodan und einige andere erst vor ein paar Stunden gesehen. Wer steckte dahinter, wer war dazu in der Lage? Die Springer, die dahintergekommen waren, dass sie im Beteigeuze-System reingelegt worden waren, und auf Rache sannen? Er selbst hatte damals an dem Coup mitgewirkt und sie in die Irre geführt. Aber wenn die Springer die Position der Erde inzwischen kannten, würden sie mit einer Flotte kommen und mit dem Säbel rasseln. Eine verdeckte Operation sah ihnen nicht ähnlich. Es war offensichtlich, dass hier eine fremde Macht am Werke war, jemand, den die Terraner nicht kannten. Er musste Terrania verständigen.
Tako war halb die Treppe wieder rauf, als ihm bei einem Blick auf die letzte Reihe der Sarkophage etwas auffiel, das er bisher nicht bemerkt hatte. Vier Behälter standen offen. Er machte auf dem Absatz kehrt und hastete an der Wand entlang ans andere Ende des Saales, bis er vor dem ersten offenen Sarkophag stand.
Die obere Hälfte des Zylinders war zur Seite geklappt. Im Inneren war er auf beiden Seiten mit einer grauen, leicht porösen Masse ausgekleidet, in der sich der Abdruck eines menschlichen Körpers abzeichnete. Offenbar hatte sie den Schlafenden vollständig umschlossen und nur den Kopf dort freigelassen, wo das Sichtfenster war. Irgendwelche technischen Apparaturen oder Anschlüsse waren nicht zu erkennen. Sie mochten in dem Sockel stecken, auf dem der Sarkophag lag.
Er erstarrte, als sein Blick auf den Namen am Fußende fiel. Es war seiner. Hier hatte sein Duplikat gelegen. Und jetzt war es weg.
Tako fühlte sich schwindelig und musste sich auf dem Rand des offenen Sarkophags abstützen. Er atmete ein paar Mal konzentriert ein und aus und versuchte, sich zu beruhigen. Nur langsam kam sein rasendes Herz zur Ruhe. Es dauerte einige Sekunden, bis er wieder klar denken und erfassten konnte, was er entdeckt hatte.
Ein Wesen, das aussah wie er, hatte diese Station verlassen, vermutlich mit bösen Absichten, und bereitete auf der Erde oder sonst wo im Sonnensystem etwas vor. Unter seinem Namen hatte es Zugang zu vielen sensiblen Informationen, geheimen Einrichtungen des Solaren Imperiums und kam an ihre empfindlichsten Stellen. Bis jemand Verdacht schöpfte und die Duplikate aufflogen, wäre es zu spät. Die Vorstellung, was passieren konnte, schüttelte ihn.


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Impressum:

GdN 72 ist ein nichtkommerzielles Fanzine des TCE (Terranischer Club EdeN).
GdN 72 erscheint im August 2022.
Umfang: 40 Seiten - Einzelpreis: 3,50 € (für Clubmitglieder 3 €) plus Versandkosten
Text und Umschlgagestaltung: Norbert Fiks
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Letztes Update dieser Seite am 28.10.2022