S C I E N C E (meets Music Hal)l # 52

...aus Raumfahrt, Wissenschaft und Forschung

 

Mars Express   &   Beagle 2

Europa und die Pop-Musik
fliegen zum Roten Planeten

von

Joachim Kutzner
("Joe the Nighthawk")

Mars Express - copyright ESA

Zur Einstimmung auf dieses Thema sah ich mir noch einmal den SF-Klassiker "Mission to Mars" (u.a. mit Tim Robbins) an. Am Ende der Storyline erfahren die Hauptprotagonisten, dass vor Jahrmillionen der Rote Planet ein ‚lebendiger‘ Planet wie heute Mutter Erde gewesen ist, der von "Aliens" bewohnt wurde, die die interstellare Raumfahrt beherrschen. Eine Meteoritenkatastrophe zwingt sie zur Flucht in einen anderen Bereich der Milchstraße. Bevor sie jedoch das Solsystem verlassen, ‚impfen‘ sie die Meere ihres blauen Nachbarplaneten mit ihrer DNS. Die Evolution lässt daraus Millionen Jahre später die Spezies ‚Mensch‘ entstehen.

Soweit die Science Fiction ...

In der Wirklichkeit sind wir Menschen noch nicht ganz soweit mit einem bemannten Raumschiff zum Mars fliegen zu können. Unbemannte Sonden müssen die ersten Erkundungsgänge für uns übernehmen. Eine Mehrzahl der Wissenschaftler, die sich mit dem Mars beschäftigen, ist heute davon überzeugt, dass es in ferner Vergangenheit riesige Wasservorkommen auf dem Planeten gegeben haben muss. An den Polen sind sie mittlerweile tatsächlich nachgewiesen worden. Nun will man die Erforschung vertiefen, auch nach unterirdischen Quellen suchen wie Seen oder gar Flüssen, Gletschereis oder Permafrostgebieten wie in Sibirien.
Dazu hat die Europäische Raumfahrtbehörde ESA eine erste eigene Mission innerhalb von nur fünf Jahren auf die Beine gestellt, die ziemlich zeitgleich mit dem Erscheinen dieser PARADISE-Ausgabe gestartet wird:

MARS EXPRESS   &   BEAGLE-2

MARS EXPRESS ist der Satellit der Mission, der mindestens ein komplettes Marsjahr (was etwa zwei Erdjahren entspricht )auf einer polaren Umlaufbahn den Roten Planeten beobachten wird.
Mit sieben Instrumenten ist er bestückt, die mit einer nie zuvor erreichten Genauigkeit die Atmosphäre, die Oberfläche und die ersten Schichten darunter abtasten werden. Aus Deutschland stammt die hochauflösende Stereo-Kamera HRSC , die reliefartige dreidimensionale Farbfotos der Marsoberfläche aufnehmen kann. Die Italiener steuern ein Radargerät bei, welches mit seinen Messstrahlen bis tief unter die Oberfläche des Planeten vordringen kann. Aus Frankreich und Schweden stammen Spektrometer für verschiedene Wellenlängenbereiche.
HRSC (High-Resolution Stereoscopic Camera)sollte eigentlich wie andere Geräte, die jetzt dabei sind, bereits bei der russischen Marsmission von 1996 zum Einsatz kommen. Durch einen Fehlstart der SOJUS-Rakete versank die Marssonde jedoch damals im Pazifischen Ozean.
Ganz umsonst war die Mission dennoch nicht; die Baupläne existierten ja noch und auch sonst profitierte die ESA von den Erfahrungen aus diesem Unglück und konnte so die Entwicklungszeit und -kosten erheblich reduzieren.
Aber auch, indem Techniken verschiedener Missionen parallel benutzt werden (siehe z.B. die ROSETTA-Kometenmission).
Auch an den Startkosten konnte eingespart werden.
Inzwischen ist nämlich die FREGAT-Oberstufe des SOJUS-Trägers einsatzfähig. (siehe Science "Porträt der DASA" in Para #39)
Um noch mehr Fliegen mit einer Klappe schlagen zu können, hat die Europäische Raumfahrtagentur den Bahnverlauf der Raumsonde so gewählt, dass auch der Marsmond PHOBOS untersucht werden kann.
Die Sonde wird vom Weltraumoperationszentrum ESOC in Darmstadt kontrolliert und gesteuert.
So wird MARS EXPRESS mit geschätzten 150 Millionen € die ‚billigste‘ Expedition werden, die jemals zum Mars aufgebrochen ist.

Man ‚musste‘ sich auch ein wenig mit der Entwicklung sputen (deshalb der Beiname Express), da sich im Juni diesen Jahres ein besonders günstiges Startfenster für einen Raumflug zum Mars bietet. So günstig, dass der Orbiter bereits nach sechs Monaten den Mars erreicht haben und die ersten Fotos zurück zu uns auf der Erde schicken wird. Ein Weihnachtsgeschenk der besonderen Art an die Menschheit ...

Am 2. Juni ist um kurz vor Mitternacht (23:45 Ortszeit, 19:45 MEZ) die Sojus-Fregat-Rakete vom Baikonur Kosmodrom in Kasachstan erfolgreich gestartet und hat Mars Express auf seinen langen Weg zum Roten Planeten gebracht.


Die ESA möchte den Mars aber nicht nur aus der Ferne beobachten, sie möchte ihn auch ‚betreten‘. Dazu ist der Roboter BEAGLE-2 mit an Bord, ein rein britisches Produkt.
Er trägt einen berühmten Namen, denn mit einem Schiff gleichen Namens umsegelte im 19. Jahrhundert der berühmte englische Biologe Charles Darwin die Welt um Beweise für seine Evolutionstheorie zu finden, die ihn letztendlich auch nach Galapagos führte.
Beagle-2 soll auf dem Mars mindestens ein halbes (Erd-)Jahr gezielt nach Leben, genauer nach Spuren organischen Lebens forschen. Landen soll er selbständig in der Ebene Isidis Planitia nördlich des Äquators. Dort wo das ältere, von Kratern übersäte Hochland des Südens an das geologisch jüngere, flachere Tiefland des Nordens grenzt.

Landung von Beagle 2 - copyright ESA

Der Landeanflug von Beagle 2 ...
Erst am Fallschirm hängend und dann hüpft der Roboter wie ein Flummiball in seiner weichen Hülle mehrmals auf dem Boden auf, bis er zur Ruhe kommt und sich die Solarzellenflächen aufklappen

 

Beagle 2 mit ausgeklappten Solarzellenflächen udn dem Robotarm - copyright ESA

BEAGLE-2 ist gelandet,
der Robotarm mit den Sensorinstrumenten ausgefahren und die Solarzellenflächen zur Stromversorgung ausgeklappt.

Beagle 2 -copyright ESA

Nun geht es an die Untersuchung des Mars ... wird BEAGLE-2 organisches Leben finden?

 

 

Superman würden die Fähigkeiten des Roboters gefallen:
Er hat z.B. vier Augen. Mit den zwei Stereo-Kameras ‚sieht‘ er so normal wie wir, mit seinen Röntgenaugen (ein Röntgenspektrometer) kann er sogar das Erdreich durchdringen, mit seinem Mikroblick (ein Mikroskop)die kleinsten Details erkennen. Er ‚hört‘ mit einem Windsensor, er ‚isst‘ wie ein Maulwurf (engl. "mole", so heißt der kleine Spezialbohrer, mit dem der BEAGLE-2 Bodenproben aus bis zu einem Meter Tiefe entnehmen kann.)und er ‚schmeckt‘ mit einem Probenanalysator.
Wir warten alle gespannt darauf, ob der kleine Roboter die Fragen beantworten wird:
Gab es Leben auf dem Mars?
Gibt es gar Leben auf dem Mars?


"Science meets Music Hall" steht oben auf dieser Seite.
Was das soll, was die Musik bei diesem rein wissenschaftlichen Experiment zu suchen hat, werdet Ihr Euch vielleicht schon gefragt haben.
Nun, BEAGLE-2 ist ‚very british‘ und die Briten sind stolz darauf, dass ihr Robot uns an Weihnachten mit einem Song vom Mars grüßen wird, den eine der bekanntesten britischen Popgruppen komponiert hat:

B

 

L

 

U

 

R

Die Idee dazu hatten Bassist Alex James und Drummer Dave Rowntree.
Ende 1999 wurden BLUR als "Erneuerer des British Pop" in England gefeiert und die Band wollte zu neuen Horizonten aufbrechen. Da kam ihnen die Idee einen ihrer Songs zum Mars zu schicken.
Sie wandten sich an Colin Pillinger, den Leiter des BEAGLE-2-Projektes an der Universität von Oxford.
Colin war begeistert:
"BLUR haben uns zweifach geholfen: Sie haben für Medienaufmerksamkeit gesorgt und uns das Erkennungssignal für die Mission geliefert."
Zum Glück galt der Plattenvertrag der Band für das ganze Solare Sonnensystem J .
2002 ging die Band dann mit Colin ins Studio und komponierte das Stück "Beagle-2". Anschließend wurde das Stück in die Software des Mars-Landeroboters eingespeist.
Und dort wartet sie nun...

Damit es keine Missverständnisse gibt:
Dieses Beagle 2 ist NICHT das gleichnamige, auf der Maxi-Single No distance left to run veröffentlichte Stück.
Ob sich die Band daraus bedient hat, wissen wir erst, wenn der Roboter auf dem Mars gelandet ist. Soviel hat Alex jedoch bereits schon verraten:
Beagle 2 wird an das - in GB - legendäre Dr. Who Thema erinnern und die Band hat sich bei der Komposition Elementen aus ihrem Album "13" bedient.

Nicht, dass Ihr nun zuviel an musikalischer Kreativität erwartet!
Das Stück basiert nämlich auf einer rein mathematischen Sequenz von Tönen, der sog. Fibonacci-Reihe (Das ist die Summe aus einer Reihe von Zahlen, die durch eine feste mathematische Formel aus der vorher-gehenden Zahl entstehen. Die ersten sechs lauten: 1, 2, 5, 18, 31 ...). Die digitalisierte, in die Robotersoftware eingespielte Version des Stückes besteht aus gerade mal neun Tönen und wird uns daher eher an einen poppigen Handy-Klingelton erinnern.Sei’s drum, nach dem erfolgreichen Abstieg zum Mars wird Robot BEAGLE-2 das BLUR-Stück Beagle 2 über die Relaisstation MARS EXPRESS zurück zur Erde funken. Und auch danach soll jede Nachricht von BEAGLE-2 statt dem üblichen Computerkauderwelsch mit diesem Erkennungssignal beginnen.

Was aber, wenn BEAGLE-2 wirklich Leben auf dem Roten Planeten entdeckt?
Wie kommt Rockmusik bei den Marsianern an?
Hätte man nicht eher Henry Purcell, Die Beatles oder Tom Jones wählen sollen?Dave Rowntree sieht das Problem locker:
"Wir können nicht wissen, wie eine freundliche warmherzige Begrüßung bei den kleinen grünen Marsmännchen - oder großen roten Marsfrauen - klingt und was als Kriegserklärung aufgefasst wird, aber ich bin ziemlich sicher: Marsianer mögen Britpop."

Da bin ich auch sicher ... J


Mehr Informationen über die Mission:

http://www.beagle2.com

Quellen:
Text:    ESA / Flieger Revue 10-2002 / Flug Revue 12-2002
Bilder: ESA

 


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Letztes Update dieser Seite am 03.03.2004