Music Hall Online # 45
Die Zeit schreitet dahin; Musiker kommen, Musiker gehen.
Manche bleiben in unserem Gedächtnis haften, wegen ihrer Lieder,
wegen ihrer Kompositionen, wegen ihrer Ausstrahlung.
Und manche, wenige, finden Einlass in unsere Seele.
Warum das so ist?
Es hat keinen Sinn das herausfinden zu wollen, ist eine meiner Lebenserfahrungen;
man kann beim Versuch des Ergründens mehr zerstören als
entdecken.
Eric Burdon hat neben anderen Musikern/Komponisten
wie Anton Dvorak, Edvard Grieg, Peter Green, Bo Hansson, Juliane
Werding oder Regy Clasen Einzug in meine Seele gefunden.
Das erste Mal bin ich ihm im zarten Alter von zwölf
bewusst 'begegnet'; er sang im legendären TV-BeatClub mit den
ANIMALS ihren ersten Welthit "House of the rising
Sun". Damals hatte ich noch keine Ahnung, dass der Song von
einem Bordell in New Orleans handelt. Und wenn es meine Mutter gewusst
hätte, hätte ich eine Menge Ärger bekommen. Ich wusste
nur, diese rauhe bluesige Stimme sprach mich an, und ich wollte
mehr davon hören.
Mit achtzehn - 1968 - begann ich, in Bonn zu studieren: Mathematik
und Physik. Um den trockenen Fächern etwas entgegenzusetzen,
beschloss ich ein Musikinstrument zu lernen. Nach einigen kostenlosen
Pianostunden bei der Lehrerin meiner damaligen Freundin sah ich
ein, dass das Klavierspiel nichts für noch nicht flügge
gewordene Nachtfalken ist und kaufte mir auf Rat eines Studienfreundes
eine Konzertgitarre. Er konnte schon vier Akkorde und zusammen lernten
wir den fünften; das reichte, um "House of the rising Sun"
begleiten zu können.
Ich glaube, damals hat fast jeder künftige "Gitarrenvirtuose"
mit diesem Song begonnen. Später sollte ich auch diverse Zupfbegleitungen
dazu erlernen.
"House
of the rising Sun " - Der Songtext
Hineinhören? - Real-Format
(173 kB) od. MP3-Format
(473 kB)
Zurück ins Jahr 1968...
... das war die Zeit der Studentenrevolten in Europa,
der Vietnamkrieg tobte in Kleinasien und in Kalifornien herrschte
die - nicht immer friedliche - Revolution der Love & Peace-Bewegung.
Inzwischen gab es meine Lieblingsband THE ANIMALS nicht mehr - Eric
Burdon hatte die Nachfolgerband THE NEW ANIMALS gegründet und
lebte in Los Angeles.
Nun, jetzt wird es Zeit Euch endlich Eric Burdon vorstellen:
Eric wurde
am 11.05.1941 in der nordenglischen Hafenstadt Newcastle-upon-Tyne
geboren. Er stammte aus einer armen Arbeiterfamilie; das Geld
reichte nur für ein Elendsquartier am Hafen. Mit Gelegenheitsjobs,
trotz Schulabschlusses und ein paar Jahren College, hielt sich
Eric über Wasser: Mal schuftete er auf Kohlenhalden, mal
half er als Werftarbeiter aus. Ein Seemann wohnte bei ihnen
zur Untermiete, und wenn er von seinen Überseetouren in
Newcastle wieder anlegte, brachte er die neuesten Rhythm&Blues-Platten
aus den USA mit. Eric war von dieser Musik fasziniert; begeistert
hörte er sie sich stunden-, ja tagelang an, bis er ihre
Stimmen nachahmen konnte.
1962
ANIMALS on
Erste Auftritte mit kleinen lokalen Bands folgten,
bis er 1962 mit dem in England schon bekannteren
Organisten Alan Price, sowie Hilton Valentine (g), Chass Chandler
(bg) & John Steel (dr) die Band THE
ANIMALS gründete.
Eric später: "Wir nannten
uns "Animals", weil Rockmusik von einfachen grundlegenden, animalischen
Affekten und Bedürfnissen handelt: Schweiß, Sound,
Sorgen und Soul."
Anfangs bestand ihr Repertoire aus Songcovern von be-kannten
schwarzen Soul- und Bluesgrößen wie Ray Charles,
Sam Cooke, Chuck Berry oder John Lee Hooker; später kamen
dann auch eigene Kompositionen hinzu. Neun Singles kamen bis
1966 in die britischen und amerikanischen TopTen:
1963
kürten die Radiostationen die ANIMALS zu Englands bester
Rhythm&Blues Band; beim Silvesterkonzert hatte die Band
die Ehre, in einer Session mit Sonny Boy Williamson Teil der
ersten R&B-Live-Aufnahme in U.K. zu sein. Auch in Amerika
- und das war damals gar nicht selbstverständlich - hatten
THE ANIMALS schnellen Erfolg. 1964 traten sie mit den Rock'n'Roll-Legenden
Jerry Lee Lewis und Gene Vincent im US-Fernsehen auf ("Talkin'
'bout you"). Dann erlangten sie Weltruhm mit ihrer 'elektrischen'
Version des alten Folksongs "House
of the rising Sun".
So richtig gut fühlte sich Eric jedoch nur, wenn
er "den Gestank der Ghettos"
roch und mit Schwarzen zusammen war. Denn auch dieses hatte
er auf dem "Amerika genannten gigantischen
Schrottplatz voll Cadillacs, Musikautomaten, Soul, Sex, Hitze,
Glück und Gewalt" erlebt:
Weiße Polizisten, die zum Spaß Bluthunde auf Schwarze
hetzten; Taxifahrer, die sich weigerten, den Bluessänger
ins Ghetto zu kutschieren; jugendliche Fans, die seine Vorbilder
John Lee Hooker und Otis Redding als 'Nigger' beschimpften...
Die Welt, die sich Eric auf der anderen Seite des Atlantiks
darbot, war rauh und animalisch. |
1966 Winds of
Change
Nach mehreren sehr erfolgreichen Welttourneen brachen
THE ANIMALS auseinander. Heutzutage kaum noch vorstellbare Knebelverträge
mit Plattenfirmen, wie auch unterschiedliche Vorstellungen über
den weiteren Weg der Band, gepaart mit unbewältigten Dissonanzen,
waren wie bei vielen Bands in jener Zeit die Ursachen.
Der
ANIMALS-Bassgitarrist Chas Chandler wechselte die Seite und machte
sich einen sehr umstrittenen Namen als Produzent; u.a. hat Chandler
Jimi Hendrix aus den USA nach England gebracht und mit seinen späteren
EXPERIENCE-Partnern Noel Redding & Mitch Mitchell bekannt gemacht.
Eric hielt Chass später in seiner Autobiographie "I used to
be an animal" vor, betrügerische Absichten gehabt zu haben
und mitverantwortlich für den frühen Tod von Jimi gewesen
zu sein. Eric muss es eigentlich wissen, denn er war ein sehr guter
Freund von Hendrix und hatte Stunden vor dessen Tod noch mit ihm
in einem Londoner Pub gejammt.
Die Trennung der ANIMALS hatte Eric arg zugesetzt,
er machte einen radikalen Schnitt und nahm mit einem klassischen
Orchester (!) ein Soloalbum auf: "Eric
was here" (u.a. enthält es den Titeltrack des MGM-Films
"The biggest Bundle on Earth"). Die Fans - ich
schließe mich da an - nahmen das Album nicht recht
an, und auch er selbst war nicht recht zufrieden; der Mann aus Newcastle
brauchte eine feste Band um seine Kreativität mit anderen kreativen
Musikern teilen zu können.
Joe the
Nighthawk